BEWEGUNGEN
SYMPOSIUM - Sonntag, 13.9.2015, ab 15:00 Uhr
Moderation: Günther Friesinger
15:00 | Herbert Langthaler (Asylkoordination), Nina Kolowratnik (GSAPP Columbia University und Technische Universität Wien), Johannes Pointl (Technische Universität Wien)
Fluchtraum Österreich
Fluchtraum Österreich untersucht Raumstrukturen und Grenzen, welche um Asylsuchende in Österreich entstehen und gebaut werden. Ziel des Projektes ist das Schaffen einer neuen Sichtweise auf Zustände der Flucht und des Wartens, der reglementierten Raumnutzung von Asylwerbern, sowie der Rolle welche Architektur und gebauter politischer Raum in diesem Zusammenhang spielen. Die Thematik Asyl soll dabei als grundlegender Bestandteil heutiger Raumproduktion und als notwendiges Beschäftigungsgebiet der Architekturpraxis aufgezeigt werden.
Fluchtraum Österreich wurde als Sonderausgabe der Zeitschrift asyl aktuell im Sommer 2015 publiziert und zeigt raumanalytische Kartographien und kritisch-argumentative Essays, welche sich mit unterschiedlichen Maßstäben der Flucht in Österreich beschäftigen. Die gezeigten Projekte thematisieren unter anderem die räumliche und zeitliche Veränderlichkeit von scheinbar starren Grenzen, das Asylverfahren in Österreich als räumliche Struktur, die mediale Repräsentation von Asylsuchenden als AkteurInnen innerhalb ihrer sozialen Wirklichkeit, das Potenzial von mitgebrachtem Wissen und Fähigkeiten und deren emanzipatorischer Wirkkraft, die konstruierten Hürden zu Arbeitsräumen und die dadurch entstehenden Graubereiche, soziale Grenzen und Bewegungsräume im städtischen und ländlichen Umfeld, sowie Möglichkeiten der Selbstbestimmung im Fluchtprozess und die Frage nach Wohnqualität in einem Zustand der andauernden Flucht.
16:00 | Michael Hieslmair, Michael Zinagel
Stop and Go. Nodes of Transformation and Transition.
Wenn sich immer mehr Menschen genötigt sehen immer mehr Zeit ihres Lebens unterwegs zu verbringen, dann kommt den Knotenpunkten, Hubs und Terminals entlang ihrer häufig frequentierten Routen immer größere Bedeutung zu. Denn dort wo der Verkehrsfluss anhält oder angehalten wird, findet mitunter auch ein Austausch zwischen vereinzelten mobilen Akteuren statt. Diese Knotenpunkte stellen sich daher als polyrhythmische räumliche Ensembles sozialer Begegnung dar, die sich temporär verdichten und entleeren, entsprechend den täglichen, wöchentlichen oder saisonalen Rhythmen der Verkehrsflüsse reagieren. Wenn wir Henry Lefebvre’s These folgen, dass Urbanität nicht über Dichte definiert werden sollte, sondern über das Maß an Differenz das an spezifischen Orten performativ aus verhandelt wird, dann stellen diese Knoten paradigmatisch neue Formen der Urbanität und des öffentlichen Raumes dar, an denen die Routen, Routinen und Rituale der mobilen Akteure, politische wie ökonomische Veränderungen und urbane Transformationen, und ihre Abhängigkeit voneinander besonders gut beobachtet werden können.
„Stop and Go“ untersucht Knotenpunkte transnationaler Mobilität und Migration entlang der bedeutendsten transeuropäischen Verkehrskorridore in einem geographischen Dreieck zwischen Wien (AT), Rouse (BG) und Tallinn (EST). Ein großer Lieferwagen mit Anhänger dient dabei als mobiles Labor, Display und Sammelgefäss, über das künstlerische Artefakte, Comics und Karten zur Schau gestellt werden, die wiederum als Inspiration und Trigger für episodische Interviews vor Ort verwendet werden. Die dabei generierten Wissensformen der Akteure en route werden sukzessive in großformatige Installationen übersetzt und an den Orten der Recherche ausgestellt. Parallel entsteht basierend auf den Erkenntnissen der Forschungsreisen in einem Projektraum am Wiener Nordwestbahnhof Schritt für Schritt eine raumgreifende Kartographie von Routen und Hubs. Bei Paraflows stellen wir einen Ausschnitt aus den bisherigen Stationen und Erkenntnissen des Projektes vor.
17:00 | Elina Mikkilä
Autor 2.0 – Schreiben ohne feste Identität
Die sog. Migrationsliteratur, die bisweilen als „der bedeutendste Beitrag zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur“ gehandelt wird, befindet sich selbst in Bewegung. Autor Saša Staniši? personifiziert den Begriffswandel von ‚Migrantenliteratur‘ zu ‚Literatur ohne festen Wohnsitz‘ und demonstriert diesen Übergang literarisch äußerst erfolgreich, wenngleich kontrovers. Während die nichtmuttersprachlichen Autoren in der deutschsprachigen Literaturlandschaft noch vorwiegend osteuropäischer und türkischer Herkunft sind, ist angesichts der zunehmenden Verschulung und ‚Internationalisierung‘ von Literaten ein weiterer Paradigmenwechsel zu prognostizieren – nämlich die Zunahme an (Selbst-)Narrativen sog. ‚Elitezwei- bzw. mehrsprachiger‘, die sich im Laufe eines kosmopolitischen Werdegangs (ihrer Eltern) aus freien (Bruch-)Stücken Sprachkenntnisse angeeignet haben.
Ein Schreibender, der durch mehrere Kulturen und Sprachen gewandert ist, hinterlässt eine hybride Ästhetik. Die post-postmoderne Literatur zeichnet sich durch rhizomatische Grenzüberschreitungen zwischen Idiomen, Genres sowie E- und U-Hierarchien aus. Ein durch und durch hypertextuelles Assoziationsmuster – mit einem wesentlichen Unterschied: Die inneren Wallungen des zum bloßen Vehikel verkommenen Autors sind der Kommunikationsgegenstand. Als Folge hiervon die Rückkehr von Emotion und Authentizität inmitten einer coolen Digitalära – wie dies Jonathan Franzen mit seiner Abkehr von der postmodernen Hermetik äußerst medienwirksam zum Programm macht: Aus E-Traditionsgebundenheit und U-Affinität mache EU-Literatur in einem dank schwindender Grenzkontrollen heterogen zusammengesetzten Sprachbereich?
Auf meinen geographischen wie geistigen Fluchten bin ich einer permanenten Verwandlung unterworfen; zu einer Fortentwicklung verdammt, die Rückkehr ausschließt. Hieraus ergibt sich ein gewandelter Begriff von Weltschmerz: Die ideale Welt existiert – stets / partiell / woanders. Auf der Suche nach einer Zusammenfügung seines solipsistischen Ideals wurstelt sich der schreibende Lebensästhet durch, um sich als individualistisches Gesamtkunstwerk zu realisieren. Sandra Gugi?, eine österreichische Autorin mit serbischen Wurzeln, die zwischen Wien und Berlin auf Achse ist, bezeichnet sich als Teil eines „Prekariatsjetset[s]“. Allfällige Ausbrüche machen sowohl das Kapital wie das Drama eines (schreibenden) Individuums ohne feste Identität aus. Wo die Kontinentalplatten der Seelenlandschaft aufeinanderprallen, spuckt das Herz glühende Lava?
ab 19:00 | TRANSKULINARIUMEXPRESS - Afghanistan
Wien ist ein Schmelztiegel der Kulturen und Nationen. Kochen und Essen in Gesellschaft kann die Menschen aus den unterschiedlichen Herkunftsländern zusammenbringen. Wir wollen derartigen Begegnungen den Weg ebnen und laden zu kulinarischen Abenden – das gemeinsame Essen, Erzählungen über deren Zubereitung, Koch- und Essgewohnheiten, Informationen über das jeweilige Land und die Möglichkeit des einander Kennenlernens zeichnen diese Abende aus.
Ort: Afghanisches Restaurant NOOSH, Zieglergasse 29, 1070 Wien
KOSTEN 45,– / 20,–
ANMELDUNG bis 9. September 2015
Beschränkte Sitzplatzzahl! Infos und Anmeldung unter transkulinariumexpress(at)gmx.at