End/Zeit. Das Apokalyptische zwischen Politik, Prognose und Technologie
Datum: 23. September 2017
Ort: Literaturhaus Wien, Seidengasse 13, 1070 Wien
Die Rhetorik des Apokalyptischen hat – wieder einmal, so ist man versucht festzustellen – Konjunktur. Häufiger beiläufig aufgerufen denn wirklich adressiert, fungiert das endzeitliche Begriffsfeld als taugliches und vielverwendetes Register, ganz unabhängig von Intention oder Position. Das in das Vokabular eingelassene Potential reicht dabei, auch über tiefenhistorische Entwicklungen und Verschiebungen hinweg, vom allgemeinen Untergang über das Ende derzeitiger Weltverhältnisse bis zu überirdischer Gerichtsbarkeit oder der Entschleierung tatsächlicher Seinsverhältnisse. Die paraflows-Reihe, die in ihrem Selbstverständnis als auch in den Programmen seit ihrem Entstehen stets für eine Relation zwischen theoretischen Konzeptionen und praktischen Applikationen mit Blick auf Technik bzw. Politik eingetreten ist, widmet sich angesichts der Zumutungen unserer Berichtsgegenwart ganz vorsätzlich dem Thema der Endzeit unter den Schwerpunktsetzungen Politik, Prognose und Technologie. Gemäß dieser Leitlinie stehen Veränderungen, Formverluste und das Jonglieren mit Prognosen im Vordergrund. Der Wunsch nach Vorhersagbarkeit der Zukunft im Sinne von Wahrscheinlichkeit passiert dabei aber stets unter zwei Einschränkungen mit realpolitischen Implikationen: Einerseits ist die Zukunft als gespalten wahrzunehmen, also als Part der abschätzbar und kühl berechenbar ist und dem Teil, der ungeplant passieren kann – und eben auch eintreten wird. Andererseits wird die Herausforderung an das Prometheische im Menschen herausgearbeitet, also beispielsweise Hinweise auf das Spannungsverhältnis Mensch-Maschine, der Wunsch nach Perfektion und der daraus abgeleitete Imperativ nach Optimierung oder eben der ganz allgemeinen, berechtigten Zweifel, ob und wie der Mensch als Schaffende*r angesichts aktueller Tendenzen seinem prometheischen Potential reflektiert und eigenbestimmt gerecht werden kann. Apokalypse ist somit, immer unter Rückbindung an die Ursprungsbedeutung, als Modell zu verstehen, das nicht einfach nur für sich steht, sondern nach permanenter Auslegung und Reflexion verlangt. Apokalypse ist angesichts technologischer und politischer Realitäten des 21. Jahrhunderts eine Herausforderung zur Neubestimmung kultureller Referenzen und Rahmungen, von medialen Entwürfen und gelebten Perspektiven. Apokalypse ist als Erlebnis, als Ankündigung und Verlauf des Unvermeidlichen zu sehen, als Vorstufe eines noch unbestimmten post-apokalyptischen Danachs, aber auch, im Sinne von Apokatastase, als Option der kritischen Erneuerung und sinnstiftenden Umkehr. Das Symposium zielt mit der Verhandlung apokalyptischer Wissenskulturen, seien sie nun philosophisch, medial oder algorithmisch, einmal mehr auf die Möglichkeit einer Kritik ab, die nicht von Beginn an gezähmt, antizipiert oder entkräftet werden kann.