Id/entity: Entwürfe - Erzählungen - Perspektiven

Datum: 16.-18. September 2016

Ort: Bank Austria Salon im Alten Rathaus, Wipplingerstraße 6-8, 1010 Wien, jeweils 15 - 18:00 Uhr

Auf Basis sich verbreiternder Informationsmaterialien und damit auch vielfältigen Angeboten zur Arbeit am Ich wird die Frage nach dem Bauplan des modernen Subjekts neu reflektiert. Insbesondere Aspekte der Normierung sowie des Verhältnisses unseres Ichs zum Netz und damit verbundene Machtstrukturen finden sich in der Auseinandersetzung. Als Quelle von Sinn und Erfahrung (Castells) grenzt Identität immer auch an Prozesse der Sinnkonstruktion, der Identifikation, an persönliche oder soziale Ziele und kulturelle Attribute. Die Baumaterialien unserer Identitäten sind vielfältig: Religion, Biologie, Klasse, Rasse, Geschlecht, Kollektive, Phantasie, Kultur sowie Zeit sind nur einige der Quellen, auf die wir bei der Konstruktion unseres Ichs zurückgreifen. Durch mediale Prozesse und Simulationen stellt sich zunehmend die Frage nach der Verarbeitung und Präsentation unserer Identitäten, die in Bezug auf Selbstdarstellung und soziale Rollen im Einklang, Widerspruch oder Konflikt stehen können.

Dennoch stellen wir uns Identität als jene Form vor, die nach außen abgeschlossen und stabil ist und nach innen über ein Bewusstsein von sich selbst verfügt, das keine allzu großen Widersprüche aushalten muss. Inwieweit aber stellen uns aktuelle gesellschaftliche und mediale Strukturen vor die Herausforderung, diese Widersprüche zu integrieren?

Identität ist auch Selbstbeherrschung: Das mit sich selbst identische Subjekt ist der „Staat im Staat in der ersten Person“, wie es in einem frühen Song der Gruppe Blumfeld heißt. Juristische Identität ist der Ausgangspunkt für den freien Willen, für die autonome Person und die individuelle Freiheit. Im Namen jener Entität, die wir in der Identität geworden sind, kommunizieren und verhandeln wir miteinander. Vor allem aber ist Identität Arbeit an sich selbst, über performative Akte oder ökonomische und kapitalistische Anrufungen. So verwalten und verwerten wir uns und werden dadurch auch berechenbar: nicht nur da, wo uns Identitätswaren im Sinne der Gruppenzugehörigkeit oder eines Lebensstils angeboten werden.

 

Entwürfe Freitrag, 16.09.16

Moderation: Thomas Ballhausen

Erweiterte technische Möglichkeiten erlauben die Befragung, Rekonfiguration oder auch Auflösung traditioneller Identitätsentwürfe. Die sich daraus ergebenden Effekte reichen in ihrer Bandbreite von Entgrenzung und Rückbesinnung hin zur Aktualisierung von Konservativismen. Verbindendes Element scheint aber zu sein, sich nicht außerhalb eines gesamtgesellschaftlichen oder systemischen Kontextes bewegen und situieren zu können: das Fremde und Eigene wird damit ständig mitreflektiert. Mit Blick auf das Kunstwerk bzw. Design-Prozesse lassen sich die Veränderungen von einstmals stabilen Differenzierungen (beispielsweise Genres) und der zuschreibenden Disziplinen bzw. deren Strategien (beispielsweise durch die Ablösung linearer Entwürfe) nachvollziehen. User-generiert und netzwerkartig ist nicht nur die Struktur des Identitätsaufbaus, sondern auch die Form des damit zusammenhängenden sozialen Wandels. Die Ausbildung neuer Identitäten, nicht zuletzt mit den Mitteln der Kunst bzw. der künstlerischen Forschung, entsteht dabei durchaus auch in Absetzbewegungen von legitimierten (bzw. antizipierten) Formen der Auseinandersetzung und Konfrontation.

 

ErzählungenSamstag, 17.09.16

Moderation: Günther Friesinger

Erzählen kann hier als gesamtgesellschaftlich wirksamer Wunsch, ja, mitunter als ein breitenwirksamer Imperativ verstanden werden, der bis in die Bereiche von Überwachung oder Normierung reicht. Die Stiftungsmacht der Fiktion, die mitunter auch das Fundament des (vermeintlich) Dokumentarischen abgibt, entfaltet dabei eine ebenüberschreitende Wirkung. Die technologisch gestützte Selbsterzählung ist, was nicht unterschlagen werden darf, in Begleitung eines kontrollierenden Paralleldiskurses zu denken. So verwalten und verwerten wir uns und werden dadurch auch berechenbar: nicht nur da, wo uns Identitätswaren im Sinne der Gruppenzugehörigkeit oder eines Lebensstils angeboten werden. Die Bemühungen, Informationsflüsse zu kontrollieren, machen dabei vor territorialen Grenzziehungen nicht halt. Umso weniger grenzerweiternd zeigt sich die Frage nach dem (Nicht-)Handeln Europas angesichts der Flüchtlingskrise bzw. der Frage der europäischen Identität im Spannungsverhältnis zu nationalen Identitätsentwürfen und der befürchteten Bedrohung klassisch europäischer Werte.

 

Perspektiven Sonntag, 18.09.16

Moderation: Clara Gallistl

Unsere Identitäten sind an gesellschaftliche Vorstellungen, kollektive Zuschreibungen, Klischees und nicht selten auch Zwänge gebunden. Die Individualisierungsgesellschaft verlangt dem Ich im 21. Jahrhundert hier eine Positionierung ab: Diszipliniertes Updaten unseres „Status“ in sozialen Netzwerken und transparente Identitätsdarstellung sind heute Teil jener Handlungsmuster, die mit Hilfe von selbstgewählten „Filter Bubbles“, „Neo-Tribes“ und anderer, automatisierter Algorithmen auch die Konstruktion unserer Identitäten bestimmen. Gibt es also zu den Wunschbildern und - Aktivitäten, die unser Ego im 21. Jahrhundert umrahmen und mitbestimmen, überhaupt echte Alternativen? Wie hacken sich digitale Technologien und damit verbundene Parameter in die Rekonstruktion anti-normativer Identitäten und welche Rolle spielt die Kommunikation in welchen Medien? Der dritte Tag des paraflows.xi widmet sich alternativen Konstruktionen von kollektiver oder individueller Identität, den verschiedenen Modi der Identitätsbildung mit Blick auf den Faktor des Digitalen und der Frage, wie die Auseinandersetzung mit den Bauplänen unseres Subjekts eigenmächtiger geführt werden könnte.